Aufgrund wieder steigender Verordnungszahlen möchten wir auf die im Jahr 2013 erfolgte Anwendungsbeschränkung von Flupitin-haltigen Arzneimitteln hinweisen [1].

Am 26. Juni 2013 befürwortete die Koordinierungsgruppe für das Verfahren der gegenseitigen Anerkennung und das dezentralisierte Verfahren – Humanarzneimittel (CMDh) mehrheitlich neue Empfehlungen zur Anwendungsbeschränkung Flupirtin-haltiger oraler Arzneimittel und Suppositorien. Diese Arzneimittel sollten nur zur Behandlung akuter (kurzzeitiger) Schmerzen bei Erwachsenen angewendet werden, die keine anderen Schmerzmittel, wie etwa nichtsteroidale Entzündungshemmer (engl.: Non-Steroidal Anti-Inflammatory Drugs, kurz: NSAID) oder schwache Opioide, anwenden können, und die Behandlung sollte nicht länger als 2 Wochen dauern. Darüber hinaus sollte die Leberfunktion der Patienten nach jeder vollen Behandlungswoche überprüft und die Behandlung abgesetzt werden, wenn Zeichen einer Lebererkrankung auftreten. Flupirtin darf auch weder bei Patienten mit vorbestehender Lebererkrankung (Gegenanzeige) noch bei alkoholkranken Patienten noch bei Patienten, die gleichzeitig andere Arzneimittel einnehmen, die bekanntermaßen zu Leberproblemen führen, angewendet werden. Die Empfehlungen folgten einer Überprüfung des Ausschusses für Risikobewertung im Bereich der Pharmakovigilanz (PRAC) der EMA, der Berichte von Leberproblemen im Zusammenhang mit Flupirtin, die von erhöhten Leberenzymspiegeln bis hin zu Leberversagen reichten, untersuchte. Der PRAC bewertete die verfügbaren Daten zur Sicherheit in Bezug auf die Leber und stellte fest, dass keine Fälle von Leberversagen oder Lebertransplantation bei Patienten berichtet wurden, die das Arzneimittel über 2 Wochen oder kürzer einnahmen. Der PRAC überprüfte auch die verfügbaren Daten zum Nutzen von Flupirtin und schlussfolgerte, dass zwar Daten aus Studien zur Behandlung akuter Schmerzen vorlagen, jedoch unzureichende Daten existieren, um die Anwendung des Arzneimittels zur Behandlung langfristiger Schmerzen zu unterstützen. Neben oralen Darreichungsformen und Suppositorien behandelte diese Überprüfung auch injizierbare Flupirtin-haltige Arzneimittel, die als einzelne Injektion bei postoperativen Schmerzen verabreicht wurden. Der PRAC schlussfolgerte, dass der Nutzen injizierbaren Flupirtins weiterhin gegenüber den Risiken überwiegt, wenn es in dieser Weise angewendet wird. Ärzte, die injizierbares Flupirtin verabreichen, sollten außerdem die entsprechenden Ratschläge zur Risikominimierung zugunsten der Patienten befolgen.

Die CMDh stimmte den Schlussfolgerungen des PRAC zu und befürwortete seine Empfehlungen zur Anwendung Flupirtin-haltiger Arzneimittel. Die Position der CMDh wurde an die Europäische Kommission geleitet, welche sie befürwortete und am 5. September 2013 einen endgültigen, EU-weit rechtsverbindlichen Beschluss verabschiedete.

Eine Überprüfung der Sicherheitsdaten aus der EU-Datenbank für unerwünschte

Illustration der Leber
medizinische korrekte Illustration der Leber

Arzneimittelwirkungen deckte 330 Fälle von unerwünschten Ereignissen in Bezug auf die Leber auf, bei denen Verdacht auf einen Zusammenhang mit Flupirtin besteht. Die unerwünschten Ereignisse reichten von asymptomatischen Anstiegen der Leberenzyme bis hin zu Leberversagen. Es wurden keine Fälle von Leberversagen oder Lebertransplantation bei Patienten berichtet, die das Arzneimittel über 2 Wochen oder kürzer einnahmen. In Bezug auf die Wirksamkeitsevidenz hob die Überprüfung hervor, dass keine hinreichenden Daten zum Nutzen von Flupirtin bei chronischen Schmerzen vorliegen. Insbesondere fehlten Wirksamkeitsdaten zur Anwendung von Flupirtin über mehr als 8 Wochen. Auf Grundlage der Befunde dieser Überprüfung wird medizinisches Fachpersonal in der EU auf folgende aktualisierte Empfehlungen hingewiesen:


Hintergrundinformation – Flupirtin

Flupirtin ist ein nicht-opioides Schmerzmittel, das zur Behandlung von Schmerzen, wie etwa Schmerzen im Zusammenhang mit Muskelverspannungen, Krebsschmerzen, Menstruationsschmerzen und Schmerzen infolge eines orthopädischen chirurgischen Eingriffs oder einer Verletzung, angewendet wird. Flupirtin-haltige Arzneimittel sind seit den 1980er Jahren zugelassen und derzeit in den folgen EUMitgliedstaaten erhältlich: Bulgarien, Deutschland, Estland, Italien, Lettland, Litauen, Polen, Portugal, Rumänien, Slowakische Republik und Ungarn. Flupirtin ist als 100-mg-Kapseln mit sofortiger Wirkstofffreisetzung, 400-mg-Tabletten mit verlängerter Wirkstofffreisetzung, 75-mg- und 150-mg-Suppositorien sowie als Injektionslösung (100 mg) erhältlich. Die 100-mg-Kapseln mit sofortiger Wirkstofffreisetzung sind in den oben aufgeführten 11 EU-Mitgliedstaaten erhältlich. Die anderen Dosierungen und Darreichungsformen sind nur in Deutschland erhältlich. Flupirtin wurde zunächst als alternatives Schmerzmittel zu Opioiden und NSAID eingeführt. Später wurden mehrere andere Wirkungen, wie etwa muskelentspannende Wirkungen, festgestellt. Flupirtin wirkt als „selektiver neuronaler Kaliumkanalöffner“. Das heißt, dass es spezifische Poren auf der Oberfläche der Nervenzellen, die sogenannten Kaliumkanäle, öffnet. Die Öffnung dieser Kanäle reduziert die übermäßige elektrische Aktivität, die zu zahlreichen Schmerzzuständen führt.


Blaue Hand – Schulungsmaterial des BfArM

Auch das BfArM hat sich der Problematik Flupirtin-haltiger Arzneimittel angenommen. [2] Den Link zur Information des BfArM finden Sie unter Punkt 2 der Quellen weiter unten.


Quellen

  1. Information des BfArM – Stand der Information: Januar 2017 LINK
  2. Anwendungsbeschränkungen Flupirtin-haltiger Arzneimittel EMA/616021/2013 LINK

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