Definition
Als Delayed Release-Systeme bezeichnet man im allgemeinen Darreichungsformen, die einen Wirkstoff rasch nach einer durch das System zu bestimmenden Verzögerungszeit freisetzt. Das Ziel ist eine nach Applikation zeitversetzte Wirkung eines Arzneistoffes [1].
Beschreibung
Delayed Release-System unterscheiden sich fundamental zu einer Retard-Formulierung. Diese gibt den Arzneistoff über einen langen Zeitraum möglichst ab. Andererseits werden Delayed Release-Systeme oft als Pulsed oder Pulsatile Release-System, Sigmoidal Release-System, Subsequent Delivery-System, Time-Controlled Delivery-System oder Lag-Time Delivery-System bezeichnet [1].
Anwendung
- lokale Wirkstoffapplikation in tiefen Darmregionen, wie dem Kolon, zur Therapie von Colitis ulcerosa oder Morbus Crohn bekannt
- Freisetzung von Proteinen im Kolon
- chronopharmakologische Arzneistoffapplikation
Voraussetzung
- die Verwendung von potenten Arzneistoffen, die in geringen Dosen eingesetzt werden
- eine schnelle Freisetzung aus der Arzneiform zum gewünschten Zeitpunkt
- eine hohe Absorptionsrate im entsprechenden Darmabschnitt
- eine Absorption auch noch in tiefen Darmregionen wie dem Kolon. [1]
Systematik der Delayed Release-Systeme
- Anzahl der abzugebenden Arzneistoffe
- Art der Freisetzung
Osmotisch kontrollierte Systeme (inner Druck sprengt die Arzneiform
Auflösen, Quellen oder Schmelzen des Filmüberzugs
pH-gesteuerte Systeme
Arzneiformen mit Delayed Release-Systeme
Manteltabletten
Hierbei wird der Arzneistoff-haltige Kern mit einer Hülle aus Hilfstoffen ummantelt. Dies erfolgt mit speziellen Mantelpressen. Als Mantel werden Hydroxypropylmethylcellulose (HPMC) oder Hydroxyethylcellulose (HEC), Natriumalginat, Hydriertem Rizinusöl und Polyethylenglykol (PEG).
Wässrige Überzüge aus Gelbildnern
Aufbringung von wässrig gelösten Hydrogelbildnern z.B. Chronotropic® eine mit sowohl Hydroxypropylmethylcellulose (HPMC) als auch mit magensaftresistentem Eudragit® L überzogenen Tabletten. Bei dem Time-Clock®-System wird Carnaubawachs, Bienenwachs und Polyoxyethylensorbitanmonooleat als wässrige Emulsion im Wirbelschichtverfahren auf Tabletten aufgebracht.
Celluloseacetat mit osmotischem Kern
Celluloseacetat ist für semipermeable Überzüge gut geeignet. Voraussetzung ist ein osmotisch wirksamer Kern. Der Film wird durch Quellung durchlässig. Es folgt eine schichtdickenabhängige Verzögerung der Freisetzung.
Pulsincap® System
Ein in Verdauungssaft unlöslicher Kapselboden wird dazu mit Wirkstoff gefüllt und mit einem Stopfen aus Hydrogelbildner verschlossen. Darüber kommt ein löslicher Kapseldeckel. In den Verdauungssäften löst sich die Kappe schnell auf und der Hydrogelpfropfen beginnt zu quellen und löst sich aus dem Kapselboden heraus. Der gesamte Wirkstoff wird anschließend rasch freigesetzt. Durch die Variation der Dicke des Pfropfens und dessen Quellungsvermögen wird die Verzögerungszeit eingestellt. Zusätzlich kann die gesamte Kapsel auch noch magensaftresistent befilmt werden, wodurch ein Quellen des Hydrogels erst nach Auflösung des Filmes im Darmsaft eintreten kann [1].
Exploding System
Durch Sprengmittel, die ihr Volumen bei Kontakt mit Wasser um ein Vielfaches vergrößern können, werden die Kerne mechanisch desintegriert. Diese Volumenzunahme kann auch für das Zerreißen einer aufgebrachten Filmmembran genutzt werden. Ein System, das auf Pellets basiert, wurde unter dem Namen Time-Controlled Exploding System (TES) beschrieben [1]. Die Dicke des aufgebrachten Films steuert hierbei die Zeit bis zur Arzneistoffreisetzung.
Literatur & Quellen
- Wiedmann, M. „Vergleichende Untersuchungen von Delayed Release-Systemen in Abhängigkeit von Wirkstoffeigenschaften“ (2001) Dissertation Ludwig-Maximilians-Universität München LINK