Beschreibung
Lactose ist ein reduzierendes Disaccharid, das aus je 1 mol D-Glucose und D-Galactose aufgebaut ist. Sie kommt in zwei anomeren Formen (α und β) vor. [1] Lactose ist eine kristalline, farblose Substanz mit süßem Geschmack; die Süßkraft liegt je nach Konzentration zwischen 25 und 60 % der von Saccharose. In wasserfreier Form ist Lactose hygroskopisch; aus der wässrigen Lösung kristallisiert die stabilere α-Form als Monohydrat aus. Milchzucker ist weniger wasserlöslich als andere Zucker, wie etwa Maltose. Die Wasserlöslichkeit der α- und β-Form unterscheidet sich beträchtlich (5 bzw. 45 g/l bei 0 °C). Milchzucker ist optisch aktiv und zählt zu den reduzierenden Zuckern.
Vorkommen
Lactose wird in der Natur in den Milchdrüsen der Säugetiere im Verhältnis α : β = 2 : 3 gebildet. In der Kuhmilch ist sie zu 2,5 bis 5,5 % vorhanden. [1]
Geschichte
1633 wurde zum ersten mal über die Gewinnung von Lactose durch den Italienischen Arzt Fabrizio Bartoletti (1576-1630) [2]. Im Jahr 1700 publizierte der venetianische Apotheker Lodovio Testi (1640-1707) ein Buch über die Kraft des Milchzuckers (saccharum lactis) Symptome der Arthritis zu lindern [3]. Lactose wurde dann im Jahr 1780 durch Carl Wilhelm Scheele identifiziert [4;5]. Heinrich Vogel entdeckte 1812, dass Glucose durch Hydrolisierung aus Lactose gewonnen werden kann. Louis Pasteur kristallisierte 1856 Galaktose als weiteren Bestandteil. Die genaue Zusammensetzung erkannte Emil Fischer 1894 [6].
Herstellung / Gewinnung
Die Gewinnung erfolgt aus der Molke der Käseherstellung. Nachvollständiger Abscheidung des Milcheiweißes und anschließender Eindickung der Lösung kristallisiert die Lactose unter Abkühlung und Rühren aus. Je nach Wahl der Kristallisationstemperatur erhält man unterschiedliche Formen der Lactose. Unterhalb von 93,5 °C erhält man das Monohydrat der α-Lactose, oberhalb von 93,5 °C die wasserfreie β-Lactose. Die gebräuchlichste Form in der Pharmazie ist α-Lactose-Monohydrat. [1]
Wird Lactose-Lösungen wie z. B. bei der Sprühtrocknung schnell getrocknet entstehen amorphe Anteile.
Verwendung
α-Lactose-Monohydrat wird vorwiegend als Füllmittel in der Tabletten- und Kapselproduktion verwendet (siehe Artikel Hilfsstoffe). Weiteren Einsatz findet α-Lactose-Monohydrat bei der Gefriertrocknung, der Dragierung und als mildes Laxans.
Bei der schnellen Trocknung von Lactose-Lösungen wie z. B. bei der Sprühtrocknung entstehen amorphe Anteile. Der amorphe Anteil fungiert als Bindemittel im Granulaten und verbessert die Tablettierbarkeit bei der Direktverpressung. Weitere direktverpressbare Produkte sind granulierte Lactosen, die über Dampfagglomeration als Krustengranulat vorliegen. Gemahlene Produkte werden für die Feuchtgranulation verwendet, während feine gesiebte Lactosen zur inhalativen Applikation von Arzneistoffen genutzt werden. [1]
Arzneibuch
Sowohl das Europäische, als auch das Ameriknische und Japanische Arzneibuch (Ph. Eur., USP, JP) führen ausserdem die wasserfreie Form der α-Lactose. Diese ist hygroskopischer als das Monohydrat und wird bei sehr feuchtigkeitsempfindlichen Formulierungen verwendet. Hingegen ist β-Lactose nur im Amerikanischen Arzneibuch [USP 2002] als Reagenz enthalten. Die Spezifikation gibt dort den α-D-Lactose-Anteil mit maximal 35 % an. Den Monographien entsprechen sowohl kristalline, pulverisierte als auch granulierte Pulver [JP 2001]. Neben α-Lactose-Monohydrat sind in der Substanz auch unterschiedliche Mengen an amorpher Lactose zugelassen [Ph. Eur. 2001] [USP 2002].[Kibbe 2000a]. [1]
α-Lactose-Monohydrat Produkte
Bei industriell erhältlicher Lactose weist häufig ein Zusatz auf:
- die mittlere Partikelgröße hin (siehe auch „Partikelgrößenverteilung“)
- mesh-Größen (meshes per inch) nach ASTM E11-70 (American Society for Testing and Materials)
- Prismalac®
- Capsulac®
- Sachelac®
- Spherolac®
- Inhalac®
- Granulac®
- Sorbolac®
- Tablettose®
- Flowlac®
- Pharmatose®
Literatur & Quellen
-
Elizabeth Irmgard Storz (2003) Untersuchung funktioneller Parameter pharmazeutischer Hilfsstoffe mittels Nahinfrarot-Spektroskopie (NIRS) Dissertation zur Erlangung des Doktorgrades (Dr. rer. nat.) der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn
- Fabrizio Bartoletti, Methodus in dyspnoeam … [Procedure for asthma … ], (Bologna („Bononia“), (Italy): Nicolò Tebaldini for the heirs of Evangelista Dozza, 1633), p. 400. From page 400: „Manna seri hæc. Destilla leni balnei calore serum lactis, donec in fundo vasis butyracea fœx subsideat, cui hærebit salina quædam substantia subalbida. Hanc curiose segrega, est enim sal seri essentiale; seu nitrum, cujus causa nitrosum dicitut serum, huicque tota abstergedi vis inest. Solve in aqua propria, & coagula. Opus repete, donec seri cremorem habeas sapore omnino mannam referentem.“ (This is the manna of whey. [Note: „Manna“ was the dried, sweet sap of the tree Fraxinus ornus.] Gently distill whey via a heat bath until the buttery scum settles to the bottom of the vessel, to which substance some whitish salt [i.e., precipitate] attaches. This curious [substance once] separated, is truly the essential salt of whey; or, on account of which nitre, is called „nitre of whey“, and all [life] force is in this that will be expelled. [Note: „Nitre“ was an alchemical concept. It was the power of life, which gave life to otherwise inanimate matter. See the philosophy of Sendivogius.] Dissolve it in [its] own water and coagulate. Repeat the operation until you have cream of whey, recalling, by [its] taste, only manna.)
In 1688, the German physician Michael Ettmüller (1644–1683) reprinted Bartoletti’s preparation. See: Ettmüller, Michael, Opera Omnia … (Frankfurt am Main („Francofurtum ad Moenum“), [Germany]: Johann David Zunner, 1688), book 2, page 163. From page 163: „Undd Bertholetus praeparat ex sero lactis remedium, quod vocat mannam S. [alchemical symbol for salt, salem] seri lactis vid. in Encyclopaed. p. 400. Praeparatio est haec: … „ (Whence Bartoletti prepared a medicine from milk whey, which he called manna or salt of milk whey, see in [his] Encyclopedia [note: this is a mistake; the preparation appeared in Bartoletti’s Methodus in dyspnoeam … ], p. 400. This is the preparation: … ) - Lodovico Testi, De novo Saccharo Lactis [On the new milk sugar] (Venice, (Italy): Hertz, 1700).
- Carl Wilhelm Scheele (1780) „Om Mjölk-Såcker-Syra“ (On milk-sugar acid), Kongliga Vetenskaps Academiens Nya Handlingar (New Proceedings of the Royal Academy of Science), 1 : 269-275. From pages 269–270: „Mjölk-Såcker år et sal essentiale, som uti Mjölken finnes uplöst, och som, för dess sötaktiga smak skull, fått namn af såcker.“ (Milk sugar is an essential salt, which is found dissolved in milk, and which, on account of its sweet taste, has the name of „sugar“.)
- Linko, P (1982), „Lactose and Lactitol“, in Birch, G.G. & Parker, K.J, Natural Sweeteners, London & New Jersey: Applied Science Publishers, pp. 109–132, ISBN 0-85334-997-5
- Emil Fischer (1891) „Ueber die Configuration des Traubenzuckers und seiner Isomeren“ (On the configuration of grape sugar and its isomers), Berichte der Deutschen Chemischen Gesellschaft, 24 : 1836-1845.